Ich höre Musik, ziemlich viel sogar! Wie bei jedem anderen Menschen, hängt mein Musikgeschmack doch sehr stark von meiner Laune und meinem Umfeld ab. Es gibt aber ein paar Songs, meistens aus den 90er und 80er Charts, die meistens meine Laune in eine ganz bestimmte Richtung lenken und somit maßgeblich mein Umfeld und mich beeinflussen können. Wie beim Achtsamkeitstraining das bewusste Atmen elementar für die Steuerung körperlicher Prozesse ist, ist die bewusste Auswahl gewisser Songs prägend für alles drauf folgende. Einer davon ist „Toxic“ von Britney Spears.
Die Akkordfolge ist mit der (i-III-II-ii, oder i-III-V) Chordprogression in Kombination mit der doch sehr dissonanten, aber äußerst prägnanten Melodie doch sehr soulig angehaucht. Britney zeigt , dass sie absolut in der Lage ist auch diese in dieser recht unjazzigen Umgebung sehr viele tolle jazzige Töne reinzwirbeln kann. Diese Genialität zwischen recht poppigen Chords in einer ungewohnten Folge, in einem recht linearen, synkopierten aber durchgehenden Beat mit einer markanten Stimme einen nicht ganz unschuldigen Text leicht schmierig durchzuhauchen, macht diesen Song so unfassbar interessant – für sowohl Zuhörer als auch als Musiker. Und lange dachte ich, dass ein Cover dieses Songs dem Original nicht gerecht werden kann. Bis ich auf die Band „Couch“ traf und mich das Cover sprichwörtlich aus den Schuhen zog.
Dieser Song ist gefühlt nur noch halb so schnell, aber mindestens doppelt so vielfältig – und vor allem funky. Mach dich gefasst, immer wieder aus dem Flow rausgeholt und reingeschmissen zu werden. Gefühlt alle 8 Takte kommt eine stilistische Änderung und hätten sie aus jedem Stilwechsel ein eigenes Cover machen können. Schaust Du dir das Video an, merkst Du, wie viel Spaß sie bei dieser Version haben.
Bläser blasen einen völlig weg
Es beginnt schon im Intro: Ein paar Taktschläge mit jazzigen Akkorden eines Klaviers übertönt von einer Trompete das typische Thema, allerdings nur einmal. Dann Base-Drum im Viertelnoten Takt mit einem prägnanten Basslauf zusammen mit einer rauchig-weichen, kräftigen Stimme in der Tieflage für den ersten Teil der ersten Strophe. Und vor dem „you’re dangerous“ ein kurzer Break, geführt durch das Klavier und wieder das Thema durch die Bläser.
Beatwechsel – gefühlter Half-Time, aber die Snare treibt zusammen mit der Rhythmus Gitarre das ganze Geschehen an. Weiterer Spannungsaufbau erfolgt durch die Oktavierung der weiblichen Lead-Vocals und der Ergänzung der Harmonie-Vocals. Der geführte Break bei „you’re dangerous“ wird durch das „I’m loving it“ in die Länge gezogen und leitet in eine kurze Entspannung mit dem Crash-Becken in einen weiteren Rhythmus ein.
Unter dem „To high, can’t come down“ liegt ein Klangteppich der Bläsern, der dieses leichte, aber dennoch wackelige Abheben auch klanglich betont. Plötzlich sind die Bläser weg, wieder ein Break. Dieses Mal wird der Spannungsaufbau vom Lead Vocal geführt. Nach dem „Do you feel me now“ kommen die Bläser mit dem Thema zurück.
Fusion, Funk, Pop? Was ist Couch?
Insgesamt ist das Spiel zwischen der fantastischen Vocalistin und den Bläsern sehr kreativ und eingängig, spannend und dennoch wiedererkennbar. Sie werden von den virtuos gespielten, sehr variantenreichen Keys und der genialen und prägnanten Rhythmusgruppe (Bass, Rhythm, Drums) feierlich umrahmt. Sie feuern musikalisch aus allen Rohren und bringen unfassbar viel Variation in den ganzen Flow des Songs rein, nutzen gefühlt jede Gelegenheit um die, an und für sich lineare, wenig soulbehauchte Akkordfolge des Originals mit möglichst vielen Instrumenten so breit wie es nur geht mit vielen jazzigen Tonreibungen zu spicken.
Die US-Band Couch erinnert mich sehr stark an Scary Pockets oder Scott Bradleys Post Modern Jukebox und bezeichnet sich selbst als Funk-Pop Band. Wenn man sich aber die anderen Songs aus ihrem Portfolio anhört, ist dieser Song keine Ausnahme sondern eher eine Art Nebenprodukt ihres gemeinsamen musikalischen Schaffens. Sie haben eine sehr harmonische Art die weiche, äußerst flexible Sängerin in interessanten, abwechslungsreichen Arrangements mit kreativen Einflüssen aller Instrumentalgruppen einzubinden und haben einen wirklich tollen Charakterklang als Band. Die existieren schon ein paar Jahre, aber sie haben erst dieses Jahr eine Tour mit drei verschiedenen Tourblocks jeweils mit einem Release einer Single gemacht. Ich bin schon gespannt, wenn ihr Album rausgekommen ist.
Leider hatte ich noch nicht das Vergnügen sie live zu sehen – aber ich finde ihre Live-Mitschnitte grandios, weil sie den Klang und das Gefühl ihrer Studioaufnahmen mit ihren Auftreten in Video und Live quasi gleich vermitteln. Das ist fantastisch! Als Beispiel bietet sich ihr Original Song „Jessie“ an, den sie in ihrer EP Sunshower 2023 als Studioversion, in ihrem Sunshower-Live Album und ihrer „The Sweater Sessions“ quasi als Wohnzimmerkonzert-Version rausgebracht haben. In letzterem ist auch genau diese Version von Toxic zu finden, die ich hier mal gehighlighted haben möchte.
Wohnzimmerkonzert als EP
Hör da mal rein! Das sind neben dem Toxic-Cover sehr chillige Neuauflagen ihrer eigenen Songs in Wohnzimmeratmosphäre. Es macht ungemein viel Spaß da reinzuhören – ich habe sie dieses Jahr entdeckt und sie haben es erst dieses Jahr rausgebracht. Was für ein Glück!